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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
Werwolf. nach Alexandre Dumas
Fotos Presse Video

Die Eingebungen des Teufels
von Tobias Prüwer
(Nachtkritik)

Dresden, 10. März 2012. "Ich werde in die Tannen gehn, / Dahin wo ich sie zuletzt gesehen", eben noch wehklagten Rammstein laut aus den Boxen. Dann erhebt sich zum Schlussbild eine riesige Wolfspuppe, stimmt über die in weißes Tuch gehüllte Tote ins Geheul und macht das Spektakel perfekt. Regisseur und Autor, Choreograf und Videogestalter Jo Fabian ist bekannt für seine Gesamtkunstwerke, die die Genregrenzen sprengen. Im Dresdner Theater Junge Generation lud er jetzt zur schaurig-schönen Märchenstunde. Die Uraufführung von "Werwolf" ist Fabians erste Inszenierung für Kinder (ab 12 Jahren), in der er neuerlich mit seiner unkonventionellen Herangehensweise punktet.

Dunkler Sog in den Abgrund
Nach Motiven von Alexandre Dumas' Geschichte "Der Werwolf" gestaltet Fabian ein fantastisches Stück Märchenkunst. Der Holzschuhmacher Thibaut (von pausbäckig bis bestiengesichtig brillant: Gregor Wolf) fristet ein Dasein am unteren Rand der Gesellschaft. Obwohl nicht auf den Kopf gefallen, muss er in seiner kargen Hütte Schuhe schnitzen. Dabei sieht sich Thibaut zu Größerem berufen, als vor der Herrschaft zu buckeln. Vom Baron Jean de Vez (blasiert bis in die Knochen: Alexander Peiler) und seinen Spießgesellen zuerst gedemütigt, dann wegen Wilderei bestraft, sinnt der ehrgeizige Heißsporn auf Rache.

Vom entrechteten Elendigen zum selbstgerechten Scheusal ist durchweg spannungsgeladen. Komische Einlagen besorgen kurze Lachpausen mit Ventilfunktion – immerhin steht das junge Publikum im Fokus. Aber das nimmt der energetisch durchkomponierten Inszenierung nichts von ihrer hohen Dichte. Die düstere Kostümorgie mit ihrem Hang zum Gothic-Chique trägt Anklänge an die rockige "Freischütz"-Adaption "The Black Rider" von Robert Wilson. Auch bei Fabian bedeutet ein verirrter Schuss das tragische Ende und Thibaut stürzt in den Abgrund, in den er zu lang geblickt hatte. Es ist ein Abend mit gewaltigen Bildern, die sich als Mosaik aus Sprech- und Bewegungstheater, Live-Percussion, Musikeinspielern und Videoanimation zusammensetzen.

Von archaischen Rhythmen angetrieben
Zurückhaltend gestaltet, bietet die Bühne (Jo Fabian) mit einem Sandplatz im Vordergrund und einer dahinter errichteten Balustrade zwei bespielbare Ebenen. So sind vom Wald bis zum Adligensalon ohne Umbauunterbrechungen wechselnde Orte darstellbar. In Mantel-und-Degen-Filmen entlehnten Fracks und Rüschenkleidern setzen die Schauspieler der opulent überzeichneten Garderobe (Jo Fabian) zum Trotz ihre Zwischentöne. Und wenn sich das Tier in hektischen Verrenkungen immer wieder Bahn bricht, bedarf es keiner großen Maskerade für Gregor Wolf als Bestie in Menschengestalt.

So entfaltet das Bühnengeschehen von den ersten Minuten an einen fast unheimlichen Sog, ein Effekt, der insbesondere der vorrangig als Goth-Rock und Groove-Metal tönenden Musik geschuldet ist. Marilyn Mansons schrullig schrammelnde "The Dope Show" ist zu hören und das brachiale Klagelied "Ohne Dich" von Rammstein. Dabei ist die Musik nie Beiwerk; manche Figuren haben sogar eigene, wiederkehrende Themen. Die intensivste akustische Erfahrung entsteht, wenn die im Stück genannten "Wolfstrommler" das wilde Rudel zusammenrufen. Auf Metallfässern schlagen sie archaisch anmutende Rhythmen und erzeugen eine den Körper unmittelbar erfassende Resonanz.

Ins schier Unendliche steigert sich Thibauts Demütigung, wenn sie sich in mehrfacher Wiederholung wie im Film-Loop unter E-Gitarren-Kaskaden abspielt. Es sind Einfälle wie diese, dank derer Jo Fabian das Tempo der Inszenierung meistert, ohne Emotionen der Rasanz zu opfern. Von überall her scheinen die Eingebungen des Teufels zu kommen, als er sie ins Standmikrofon an der Bühnenkante säuselt.
Eine Fensteröffnung ist mit einem wuchtigen Goldrahmen eingefasst, wodurch sich die dahinter abspielenden Szenen wie ein nachmodernes, bewegtes Historiengemälde ansehen lassen. Und das bleibt nach diesem Gesamtkunstwerk zurück, nachdem der gigantische schwarze Isegrim im Hintergrund verstummt ist. Märchenhaft berührt reibt man sich die Augen, als die Schauspieler von den Wolfstrommlern begleitet, mit Tai-Chi-Elementen und Gebärdensprache ihr Nachspiel tanzen für dieses fulminante Es-war-Einmal.


Fotos: Klaus Gigga


"Jo Fabian verzichtete auf den kräftigen Abschluss-Beifall und überließ ihn den Schauspielern und Trommlern - berechtigterweise! Kurzum: ein Werwolf zum Hingehen und Mitheulen!"
Dresdner Neueste Nachrichten

"Wird die Handlung anfangs dialogisch und bildhaft aufgebaut, dominieren im Verlauf die stets musikalisch illustrierten Bilder und Tänze. Fanbian zelebriert lustvoll die dunklen Kräfte."
Sächsische Zeitung

"Mit wildem Trommelfeuer auf alten Ölfässern (Rhythmusarrangements: Bernd Sikora) heitzten die sonnenbebrillten Werwölfe dem tjg-Publikum ordentlich ein. Das dankte für den außer-gewöhnlichen theatralen Ritt mit tosendem Beifall."
Dresdner Morgenpost

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