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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
Tristan und Isolde. nicht berühren
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Vision und Fluch

Jo Fabian aus Berlin, der Verführer mit allen Mitteln und wohl auch einer der letzten Romantiker, nennt seine neue Arbeit "Tristan und Isolde. nicht berühren", ein Ausstellungsstück. Und lädt das Publikum dazu an zwei Abenden der 10. Tanzwoche Dresden nach Hellerau ein. Selten verbindet, verbündet sich der geschundene, geschichtsträchtige Saal des Tessenow- Gebäudes so bemerkenswert mit jenen, die ihn zu beleben suchen. Es ist, als betrete man eine akustisch, visuell schwingende Traumwelt, einen Ort nirgendwo, nirgendwann, Nirwana vielleicht, als bewege man sich mit anderen auf weißem Quarzsand um einen magischen, im Licht veränderlichen Körper herum. Inmitten des Saales befindet sich auf einem Sockel aus Carrara-Marmor eine geschlossen wirkende, von allen Seiten einsehbare Glasvitrine. Im mannshohen Quader sind zwei Menschen ausgegrenzt, ein Mann und eine Frau. Möglich, dabei an Tristan und Isolde zu denken. Ihr Atem beschlägt die durchsichtigen Flächen. Zuweilen scheinen sie wie im Eisblock festgefroren, lässt sich ein Sarg assoziieren, ein Schloss aus Eis. Ganz leise vernimmt man in ihrer Nähe Wagners Musik. Wer zu dicht aufrückt, wird durch Sirenen abgewiesen. Eine spannende Produktion, die in wechselnden Räumen (vorgesehen sind bislang Aufführungen in Berlin und Leipzig) ihr Erscheinungsbild ständig verändern wird. Fabian, der Wort und Bewegung gerade so wie Raum- und Sinnbilder liebt, gelingt mit dieser Arbeit gemeinsam mit sehr guten Darstellern eine sinnlich erfahrbare Synthese des Imaginären und Wirklichen. Eine Vision! Für die Liebenden ein Fluch?
Gabriele Gorgas; Sächsische Zeitung, 30.06./01.07.2001
Tristan im Terrarium

Am dritten Tag der euro-scene war ein lebendiges "Ausstellungsstück" zu besichtigen. So jedenfalls nennt Jo Fabian aus Berlin, der fleißige Szenarist auf dem Müllhaufen der Utopien, eine interaktive Theaterarbeit mit dem Titel "Tristan und Isolde. nicht berühren". Es handelt sich dabei um ein esoterisch hochgestimmtes Arrangement, in dem es vor allem darum geht, zwei Stunden lang das Unauflösliche der Liebe gegen den Zugriff von Gesellschaft und Konvention zu behaupten, sehr prinzipiell, sehr deutsch. Als Ort der Besichtigung dient Leipzigs Peterskirche. Dämmriges Licht fließt im Inneren über die neugotischen Säulenreihen links und rechts, im ausgeräumten Mittelschiff steht auf einem Podest eine große Glasvitrine, die man nach Belieben umrunden kann, bei Strafe der Alarmanlage aber nicht berühren darf. Das Ganze hat keine Handlung, bekommt aber eine Dramaturgie, weil das Publikum mitmachen kann. Das heißt: Jeder kann auf einer Tastatur eintippen, wozu er Lust hat. Die Kommentare werden via Videoprojektor übertragen: "Amore", "salsa", "stirb endlich"… Der Reiz liegt nun darin, den eigenen Machtanteil auszutesten. Laut Programmheft übersetzen die Darsteller nach dem von Jo Fabian entwickelten "Alphasystem" Buchstaben und Wörter in Bewegung. Sie sind also nicht nur Tristan und Isolde im Schneewittchensarg ihrer Gefühle, sondern, im Sinne eines sozialen Konstrukts, auch Marionetten sinnreicher oder alberner Gedanken. Aber natürlich weiß man nicht, ob Hüftdrehung nach links mit leisem Fußscharren "Schläfst Du, Isolde?" bedeutet. Gegen Ende bäumt sich der sphärische Klangteppich in Hardrock-Rhythmen auf. Auf der Videoleinwand ergreift die Regie das Wort: "Auf Wiedersehen, ihr Schweine! … no fish, no cheese". Das war gut gesprochen.
Ralph Gambihler; Leipziger Volkszeitung, 09.11.2001
Aquarium als Minigrotte

Isolde trägt Rot. Knallrot. Tristan weißes Hemd und Anzughose. Ihre Minigrotte ist eine Art Aquarium. Auf zwei hängenden Videoleinwänden meint man Naturbilder zu sehen. Ein Glastisch trägt eine Computertastatur, am anderen Ende hängt ein riesiger Monitor: "Gästebuch" steht oben, noch "Tastatur gesperrt" unten. Und exakt in der Mitte des Raumes ein Sockel aus Stein, darauf die Vitrine, das "Aquarium". Darin die beiden, die man zunächst als Schaufensterpuppen ansieht: Ralf Kittler als Tristan, Annegret Thiemann als Isolde. Ist es der Moment des Verrats? Er lehnt, offenbar widerstrebend sich wegbewegend, an der Längsseite, sein Fuß ruht noch in ihrer Hand. Die Blicke gehen in unterschiedliche Richtungen. Jo Fabian hat eine bestechend logische Begründung seines "Ausstellungs"-Konzepts geliefert: Die Liebenden Tristan und Isolde scheiterten an der "Umklammerung der Beobachter". Und so wird die eigentliche Liebesgeschichte auch hier, an diesem Abend in Hellerau, nicht stattfinden. Er macht uns zu Voyeuren und Mitschuldigen, wohl wissend, dass sich sein Kunstwerk wiederum erst durch unsere Anwesenheit - und unser Mittun - realisiert.
Beate Baum; Dresdner Neueste Nachrichten, 30.06./01.07.2001
Tastaturdämmerung

Jo Fabian, als furchtloser Zeremonienmeister des Utopieverlusts bekannt und geehrt, schreckt mit seinen Tanzinstallationen und Bühnenritualen vor nichts zurück. Nicht vor der Eigenentwicklung des esoterischen Alphasystems, einer Tanzsprache, die außer Eingeweihten niemand verstehen kann, nicht vor den großen Theorieentwürfen und auch nicht vor Richard Wagner. Dessen reglose "Handlung in drei Aufzügen" hat sich Fabian jetzt vorgeknöpft und daraus fast beiläufig eine seiner subversivsten Arbeiten gemacht. Natürlich geht es bei Fabians "tristan und isolde. nicht berühren" nicht um gesangliche Größe. Aber auch nicht um choreographische Musikumsetzung oder die Rätsel der Liebe und die Feuer des Begehrens. Vielmehr hat sich Fabian wenige Motivsplitter aus Wagners Drama um Warten, Sehnen, Verbot und Entrückung herausgepickt und zu einem blicktheoretischen Erlebnisraum zusammengefügt.
Fabians "tristan und isolde" ist eine ständige Gratwanderung zwischen Neugier und Abstoßung, Lockung und Strafe, Sehnsucht und Erfüllung. Und daß Tristan am Anfang wie am Ende am Boden liegt und Isoldes Blick in unbestimmte Fernen schweift, ließe sich natürlich auch auf Wagners Vorgaben zurückführen. Bei ihm endet "die Handlung" im klassischen Doublebind des Zeigens: "Freunde! Seht! … ihrs nicht?" Im Hamburger Bahnhof aber mahnt eine freundliche Stimme: "Die Ausstellung endet in wenigen Minuten!" Dann sind es fast zwei Stunden gewesen.
Franz Anton Cramer; FAZ/ Ausgabe Berlin, 16.08.2001)
Abstand halten

Liebende also sind dies, hinter Glas in einer Vitrine auf weißem Marmorsockel, ausgestellt, ausgeliefert den Blicken der Betrachter. Im Hamburger Bahnhof zeigt der Berliner Regisseur Jo Fabian sein Ausstellungsstück "Tristan und Isolde. nicht berühren". Eine unerfüllte Liebe, ein unsterblicher Mythos, konserviert und musealisiert. Doch Jo Fabian macht den Zugriff auf den Mythos und auf das, was in ihm bewahrt ist, selbst zum Thema. Die Zuschauer sind aufgefordert, den Fortgang der Performance zu beeinflussen. Über eine Computertastatur können sie eigene Texte in ein Gästebuch eingeben, die dann an eine Wand projiziert und von den Darstellern interpretiert werden. Sprechen wir also von der Liebe. Doch die lapidaren Einträge lauten "Abstand halten" oder einfach nur : "Ficken!" Liebe - nur ein Mythos? Selbst der beginnt zu verblassen. Jo Fabian führt uns zudem vor: Wir als Nicht - Betroffene, Nicht - Liebende wirken an seiner Abschaffung mit. Wagner verstummt. Mit Led Zeppelins "Physical Graffitti" entlässt uns Jo Fabian aus der Ausstellung.
SL; Der Tagesspiegel, 18.08.2001)
Goldfisch - Variationen

Nach ein paar Minuten erwacht das eingesperrte Paar, und das Staccato der Bewegung im Show-Kasten wird zur neuen Pose. Synchron oder gegeneinander vollziehen die zwei Tänzer (Annegret Thiemann und Ralf Kittler) ihre Muster. Doch sie kommen nicht zusammen, verschmelzen nicht im Glassarg oder im Tod. Ästhetisch konsumierbar erscheint ihr Anblick und allmählich schlägt sich ihr Atem nieder. Ihre Arbeit kondensiert an den Scheiben, Zeit wird als sichtbehinderndes Kondensat erfahrbar. Irgendwann ruft eine Stimme aus dem Off zum Verlassen der Ausstellung auf und artig gehen die Besucher nach Hause. "Tristan und Isolde" interpretierte der Ideengeber Fabian als den Tod der Liebe durch Öffentlichkeit. Unmöglichkeit von Liebe unter Beobachtung schrieb er in Geschichten, auch das Projektionsmaterial von Utopien kann er gemeint haben. Er bestätigt das Voyeristische jeden Kunstgenusses, zeigt das Tote von Kunstobjekten im Glashaus und die Lust am bewegten Gleichen. Fast schon rituell hat auch dieses Mal der Tanzchoreograph seine Performance-Idee mit dem Begriff des Alpha-Systems verknüpft, sein Symbol der Sehnsucht nach Bedeutungssuche aufgerichtet und das Publikum seriell gefoppt.

Christoph Woldt; Junge Welt, 22.08.2001
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