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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
PI morphosen
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Eins der besten Tanzstücke, die derzeit zu sehen sind. Wegen garantierter Suchtwirkung.

Am 4. und 5. Feb. in Frankfurt, Künstlerhaus Mousonturm, in unverschämt abgespeckter Version
In welchen Film ist man da nur geraten? 18 Kerzenlampen hängen an 18 Bambusstangen. Eine brennende Giraffe wird an die Rückwand projiziert. 18 Tänzerinnen tanzen Steve Reichs «Music for 18 Musicians». Achtzehn mal achtzehn sind 324, die Pi-Zahl, daraus ergibt sich das Tempo der Aufführung. Die Uhr rechts oben zeigt die Zeit verlangsamt auf das künstlerische Arbeitsmaß des Berliner Choreografenkünstlers Jo Fabian. Die Schritte der Achtzehn: sind immer einfach, immer konsequent, darum nach kurzer Weile: berauschend. Berieselnd wie der Sand auf der Bühne im Eden***** in Berlin-Pankow, auf denen sie scharren, der Produktionsstätte von «Pi-Morphosen» - das beste Stück, das derzeit in der Hauptstadt zu sehen ist. Wegen garantierter Suchtwirkung.

Die Tänzerinnen: zu Beginn verschleiert und auf hölzernen Highheels, später schwingen sie die sie einzäunenden Bambusstangen im Zählmaß «9, 1, 2, 3, 8», dessen Summe, ganz am Ende, 2456280 ergibt, jener letzte Tag der Welt im Kalender der Maya.
Man muss da nicht mitrechnen, man hört's auch so, wenn die Band Apocalyptica ihr frenetisches «Cohka» aus den Lautsprechern bläst – oder auch nicht, weil man schon sehr tief versunken ist in die Schönheit der 18 Frauen, die Jo Fabian nicht in, sondern vor den Himmel hebt, und sie mit den Händen exotisch wunderschöne Blüten tanzen lässt, mit den Armen kunstvolle Ranken, mit den Beinen starke Wurzeln.
Fabian verzaubert «maginär», also nur fast magisch, indem er die Imagination einfach weglässt – man sieht nur, was gezeigt wird, vollständige Synchronität der Tänzerinnen, nie Privates, nur Kunst im alten Wortsinn des künstlichen Konstruktion. 

Jo Fabian hatte zuletzt mit «Independent Swan» die Deutschen mit Rammstein verhauen, jetzt kitzelt er ihre nach Reinheit dürstende Seele mit exotischer Strenge. Dieser Zauberer des deutschen Tanzes, der keiner Clique angehört und stolz genug ist, sich keiner zugehörig zu fühlen, begeistert durch das Lob der Strenge. Mag man auch bei «Brennender Giraffe» die Dali-Achsel zucken und im Minimalismus von Philip Glass' «Symphonies Nos. 2&3» eine gewisse Gestrigkeit vermuten, ist das Ergebnis von jener schonungslosen Schönheit, die einem nichts vormacht, nichts vorstellt, nichts bedeuten soll – als ein Spiel von mathematischer Präzision, für die er keine Mitbewerber hat. So ein Solitär wie Fabian ist der beste Beweis, Kunst nicht dauernd mit dem gerade Angesagten verwechseln zu müssen.

Arnd Wesemann, Kultiversum 07.Dez.2010

Das Jo Fabian Department präsentiert in Frankfurt ein Tanzstück für sprechende Arme und Hände.

Jo Fabian arbeitet gern mit Verrätselungen, lädt seine Stücke mit Symbolik und Transzendenz auf. Dies geschieht in einer eigenwilligen und faszinierenden Form des zeitgenössischen Tanzes, für die er Elemente aus allen Zeiten und Kulturen auswählt und neu zusammenbringt. Und welches Element fasziniert mehr als die Zahl pi - ein Näherungswert, der Kreisformen berechenbar macht, aber dennoch mathematisch nie ganz exakt ist. Die Näherung ins Unendliche macht sie quasi unfassbar und damit transzendent.

Jo Fabians habe für seine neueste Inszenierung »pi morphosen.10« mathematische Präzision und schonungslose Schönheit verknüpft, so die Ankündigung. Auf jeden Fall ist es ihm gelungen, Tanz, Raum, Musik und Licht so miteinander zu verweben, dass die 90 Minuten wie im Flug vergehen.

Das meiste macht Fabian selbst: Regie, Bühne, Kostüme, Video, Programmierung. Er wählte zehn Tänzerinnen diverser Nationen: Sara Canini, Ini Dill, Sonja Elstermann, Fatima Gomes, Sahra Huby, Raisa Kröger, Lena Soon Hee Meierkord, Kerstin Rünzel, Yuko Sato, Annegret Thiemann. Die Musik erklingt in perlenden Läufen vom Piano auf der hinteren Bühne (Nadezda Tseluykina) sowie in mitreißenden Rhythmen von den multikulturellen Schlagwerken auf der Galerie (Lars Neugebauer, Maria Schneider); dazu Einspielungen aus dem Computer, mal ein Sprechvortrag, mal Maschinenkreischen.

Bambusstangen hängen von der Decke, lassen nur vorne und hinten etwas mehr Platz frei. Die Rückwand dient der Projektion eines Videos. Es zeigt Bilder von Wolken, der Erdkugel oder mathematische Formeln auf einem von Sternen übersäten Feld. Das Licht erscheint rot, blau und grün, wechselt auch mal zum grellen Schein der Erkenntnis.

Geradezu mystisch ist der Einstieg: Eine Frau in Schwarz stakst auf Plateauschuhen, die aus langen Nägeln zu bestehen scheinen; sie landet verzerrt und verdreht in einer bizarren, kriechenden Pose. Währenddessen bewegen sich von den Seiten kommend schwarz verschleierte Frauen vorsichtig auf holzblockähnlichen Schuhen, balancieren mit langen Stäben in den Händen. Alles wirkt asiatisch. Die langsamen Bewegungen gewinnen an Virtuosität sobald die Frauen barfuß tanzen; doch wird es nie hektisch, allenfalls hypnotischer Gleichklang entsteht.

Es ist vor allem ein Stück der sprechenden Arme und Hände, auch hier sind Elemente anderer Kulturen erkennbar. Alles sehr apart und auf Schönheit bedacht. Mit den Pumps kommt die europäische Frau ins Spiel, die vorsichtig nicht nur diese Schuhform entdeckt, sondern den gesamten Körper als Bewegungsapparat. Der Gesichtsschleier wird variiert, lässt das Gesicht frei. Höchst beeindruckend sind die synchronen Gruppenszenen, die sich allmählich in individuelle Bewegungen auflösen und mit rhythmischem Raffinement wieder zurückkehren in den Gleichklang aller. Nichts geschieht ruckartig oder aggressiv. Eigentlich ist das Stück eine Hommage an das Weibliche. Der Felsblock mit Kette, das einzige Bühnenrequisit, wird gegen einen kleineren ausgetauscht. Wohl ein Symbol dafür, dass die Emanzipation schon Fortschritte erzielt hat.
Dagmar Klein

Glauben Tiere an Gott?

Im Frankfurter Mousonturm war zu sehen, wie Jo Fabian in « morphosen» Mathematik in Schönheit und Poesie verwandelt.
Dass die Pianistin am Flügel minimalistische Kompositionen spielt, ist nur an ihren über die Tasten gleitenden Händen zu sehen. Dass die Stimmen, die Alte Musik singen, weiterhin klingen, lediglich zu erahnen. Beides geht in martialischen Trommelklängen unter.
Im Bühnengrund sind auf einer Videoleinwand Mond, sich bewegende Sterne und Wolken zu sehen. Diese Unendlichkeit und Zeitlosigkeit suggerierenden Bilder kontrastieren mit den die Bühne begrenzenden Bambusstäben, zwischen denen Kerzen brennen. Verschleierte Frauen, die aussehen wie Hohepriesterinnen, schreiten auf hölzernen Kothurnen daher. Zahlen werden aufgesagt, und auf der Videoleinwand zählt sich ein Ticker durch die Jahrhunderte bis zum Jahr 2010, dem Jahr, in dem Jo Fabians Inszenierung mit dem Titel « morphosen» entstand, und in der es, wie der Titel verrät, um die irrationale, geheimnisvolle Zahl Pi geht. Doch der Versuch, diesen Fabian-Kosmos zu verstehen, muss scheitern wie der Versuch, die Zahl Pi zu fassen. Schließlich arbeitet Fabian seit Jahren daran, in seinen Inszenierungen die unterschiedlichen Bühnenelemente – Tanz, Sprache, (Bühnen-)Bilder, Musik – voneinander zu trennen. Spätestens wenn die Fragen «Glauben Tiere an Gott?», «Was ist der Himmel?» und «Kann man Liebe mit einem Baum machen?» auftauchen, weiß man, dass man diese Anstrengung getrost unterlassen kann.
Wenn der Tanz sich langsam entwickelt, sich aus an Yoga-Mudras und asiatische Tempeltänze erinnernden Bewegungen zu den für Fabian typischen fließenden und kreisenden Arm- und Handbewegungen, in denen keinerlei Bedeutung zu finden ist, steigert: Spätestens dann kann man sich dieser betörenden Schönheit einfach ergeben und sehen, wie sich Mathematik in Poesie verwandelt.
Bies (Bies)

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