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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
new world order
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Provokanter und präziser, packender und phantastischer der hektische Stillstandbericht von Jo Fabian, der mit seiner Orwell-Paraphrase "New World Order" bis an die akustische Schmerzgrenze geht: Die Welt versinkt im Maschinenlärm Einstürzender Neubauten, Schüsse testen die Schreckhaftigkeit im Parkett. Klarer Fall von Schrecksekunde. Sieben davon werden zur Stunde gedehnt, gekrönt von Fabians Sinnfragen, Humor-Marke extra dry: "Wieviel ist zwölf?" lautet eine, "Was hältst Du als Außenstehender von Freiheit?" ist auch ziemlich bohrend....Fabian führt eine verstummte Gesellschaft im Packeis vor. Kalt läßt dieses XXL-Tableau freilich keinen.
(Andreas Radlmaier, Abendzeitung Nürnberg, 12.5.1997)

Die Zeit steht still im Zeitraum von Jo Fabians "New World Order", dem Stück des visionären Theatermachers aus dem Osten Berlins. Sieben Sekunden dehnt er auf eine Stunde, verbunden mit einer hämmernden Musikcollage. Kaum etwas geschieht. Und doch passiert Ungeheuerliches. Die Welt, die Zeit, der Raum wird in diesem Stück auf den Kopf gestellt.
(Erlanger Nachrichten, 8./9.5.1997)


Mit der thematischen Weite - die neue Weltordnung steht beileibe nicht nur als Metapher für die Nach-Wende-Zeit - ist die Bühnensprache des einstigen DDR-Theaterstörenfrieds noch dichter, noch geballter geworden....Fabians Zeitsprünge sind auch Erlebnisschichten: gruselige Starre, dann aber scheinbar harmlose Minimalregungen in Zeitlupe und irgendwann plötzliche, kurze Gewaltausbrüche. Moderne Zeiten? Eine Horrorvision. Die Langeweile, der Verlust von Bindungen in jenem neuen Weltszenario wird lesbar als gefährlich lauernde, untergründig gewalttätige Indifferenz der Gegenwartsgesellschaft. Und die Langsamkeit als Darstellungsmittel versteht sich auch als Affront gegen das Affentempo des Videoclipzeitalters. So findet Fabians radikale Suche immer neue Endspielsituationen: kompromißlos freies Assoziationstheater, sinnschärfende Traum- und Denkbilder ohne einengende Verabredungen, eine spannende, neu formulierte Rätselgrammatik des Sehens.
(Matthias Kolb, Stuttgarter Zeitung, 18.10.1994)

Jedem, der sich Fabians Raum-Zeiterlebnis öffnet, wird ein Blick in die eigene Phantasiewerkstatt zuteil; d.h. Fabian weckt die, vom medialen Dauerbombardement mit immer schneller bewegten, immer kurzatmiger aneinander geschnittenen Bilderfolgen verschüttete Kreativität im Zuschauer - und geht ein nicht geringes Risiko ein, denn die Wirkungen, die er bei den Betrachtern auslöst, kann er nicht mehr steuern…
Gerade weil seine Methoden außergewöhnlich, ja theater-fremd sind, vom Bauhaus inspiriert, führen sie zu einer Rückbesinnung auf Möglichkeiten und Bedeutung des Theaters, das mit all der mediennachahmenden action immer langweiliger wird und in Gefahr ist, sich entbehrlich zu machen.
(Cornelie Ueding, Deutschlandfunk, 16.10.1994, 17:30 Uhr)

Fabian gehört nach wie vor zu den Berliner Künstlern, deren Arbeit so weit wie möglich durch Aufführungen im Hebbel-Theater gestützt werden und in der öffentlichen Wahrnehmung erhalten bleiben sollen, trotz aller Schwierigkeiten bei Finanzierung und Produktion. ..In seinem in Tübingen uraufgeführten Stück "New World Order" entdeckt er die Langsamkeit. Er streckt nicht einfach eine Spanne Zeit, er vergrößert die Zeit wie unter einer Lupe, macht sie zum Raum...
Fabian, viel zu eigenständig und selbstironisch, um einen Vergleich mit dem Texaner Bob Wilson oder dem Belgier Jan Fabre zu scheuen, folgt dem Zug der Zeit auf seine assoziative Art.
(Hartmut Regitz, ballett international/tanz aktuell, Januar 1995)


Von der Starre einer fotografischen Momentaufnahme scheinen die Gestalten befallen, unveränderlich die ganze einstündige Dauer über. Doch dies der nächste Trugschluß. Fast unmerklich wechseln sie ihre Haltung, fließen in endlos zerdehnter Langsamkeit anderen Körperpositionen entgegen. Kontrastiert wird jene in der Zeit erfrorene Bewegung gleich mehrfach. Durch Andy Cowtons teils infernalisch tobende Musikcollage von Minimal bis Maschinenlärm, durch Pistolenschüsse aus reglosen Händen als einzig noch möglicher Kommunikation. Und durch Fabians bohrende, absurde, aus dem Off tönende Fragen. Niemand vermag freilich zu antworten, wie in dieser Welt des Stillstands und Leerlaufs, der Kälte und Situationen überhaupt nichts mehr geht. Akustische Aktion bombardiert Fabian visuell mit qualvoller Untätigkeit und entwirft so ein faszinierend vertracktes Werk theatraler Malerei, ein minimal bewegtes skurriles Vexierbild. Alles wirklich Lebendige wird heimtückisch ausgelöscht. Ein Speer mit roter Fahne tötet einen Zitterrochen, ein Pfeil durchbohrt einen Apfel. Keiner der früheren Arbeiten Jo Fabians ist von ähnlicher Hellsicht und Konsequenz, dekouvriert mit ähnlicher Schärfe und Trefferquote unser Welt.
(Volkmar Draeger, Berliner Morgenpost, 17.12.1995)

… zum anderen schlagen die Akteure auf der Bühne schier Wurzeln, bewegen sich so wenig wie noch nie zuvor im regen Künstlerleben - und bewirken dabei doch so viel wie selten zuvor. Der Vor-Bilder sind dabei genug gewechselt: Jo Fabian, Kopf der Berliner Gruppe example dept., wird gerne mit dem Texaner Bob Wilson und dem Belgier Jan Fabre, beides enigmatische Langsamkeits-Fanatiker, in einen Bausch und Bogen gepreßt. Daß er sie vor der sogenannten Wende nicht kannte, nicht kennen konnte: Vergangenheit. Doch hat es Fabian keineswegs nötig, ewig als die ostdeutsche Antwort auf Wilson oder Fabre zu gelten. Dafür sind seine Szenarios schon zu (eigen)mächtig, sind seine Einfälle zu eigenständig.
(Wilhelm Triebold, Schwäbisches Tagblatt, 17.10.1994)

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Bei Bob Wilson an der Berliner Schaubühne hieß es "Death, Detroit and Destruction", bei Jo Fabian am Tübinger LTT heißt es "New World Order", und beide Male ist es der gelungene Versuch, darstellende und bildende Kunst audiovisuell zu kombinieren. Das Ergebnis ist die pure Verzauberung. Magie und Poesie.
(Christoph Müller, Schwäbische Donauzeitung, Ulm, 17.10.1994)

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Ganze sieben Sekunden dauert das Stück und das eine gute Stunde lang. Jo Fabian macht die Probe aufs Exempel.
Gemeinsam mit Schauspielern/Tänzern vom LTT und example dept. Berlin erprobt er im Tübinger Landestheater die unmögliche Langsamkeit der Zeit - und stellt zugleich das Wahrnehmungsvermögen seiner Zuschauer auf eine paradoxe Probe. Denn selbst wenn sich in "New World Order" augenscheinlich nichts ereignet, passiert auf der Bühne Ungeheuerliches....Fabian, spätestens seit seinem dreiteiligen "Vaterlandskomplex" als visionärer Theatermann aus dem deutschen Osten bekannt, streckt nicht einfach eine Spanne Zeit. Seine Uraufführung nimmt die Zeit unter die Lupe. Und sie diskutiert die Relativität der menschlichen Empfindung am Subjekt, weshalb am Ende jeder selbst entscheiden muß, welcher Wirklichkeit er vertraut...
Fabian läßt sich bei seiner "Operation Wüstensturm" (der Titel "New World Order" zitiert den George Bush des Golfkrieges) nicht so einfach festlegen. Seine Bilder- und Bewegungsstunde ist viel zu vielschichtig, um sich in einer Aussage zu erschöpfen..."New World Order" ist ein Wunderwerk des Theaters, von dem man andernorts nicht einmal zu träumen wagt, ein Präzisionsmechanismus, bei dem die Phantasie nicht auf der Strecke bleibt, und zugleich Zeit-Erscheinung, von der das LTT hoffentlich auch in Zukunft profitiert.
(Hartmut Regitz, Stuttgarter Nachrichten, 18.10.1994)

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Trotz dieser nervenaufreibenden Erkundung der Langsamkeit bietet Fabian kein Schlafwagentheater. Durch den Einsatz von Licht- und Toneffekten entsteht eine überaus dichte Bild- und Klangperformance..."New World Order" legt sich mit dem vermeintlich allgemeingültigen Zeitbegriff an und schickt sein Publikum auf eine sinnliche Zerstörungsfahrt durch die Wahrnehmungsgewohnheiten.
(Hartmut Zeeb, Schwarzwälder Bote, 21.10.1994)

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